Autoritäre Bedrohung – Wie weiter in Argentinien

Autoritäre Bedrohung – Wie weiter in Argentinien

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Poder Popular ist eine feministische, antikapitalistische und ökosozialistische Organisation aus Argentinien, die in verschiedenen sozialen Bewegungen im Land einbringt und sich zum Ziel gesetzt hat, mit einem internationalistischen Ansatz eine sozialistische Wende in Argentinien einzuleiten.

Nach dem Wahlsieg des ultrarechten Kandidaten Milei bei der Wahl am Sonntag konnten wir ihnen einige Fragen zur aktuellen Situation stellen.

Milei hat die Wahlen vom Sonntag gewonnen, warum haben so viele Menschen für ihn gestimmt?

Mileis disruptive und radikale Rhetorik hat es ihm ermöglicht, die Krise der politischen Repräsentation zu überwinden, indem er selbst Teile der klassischen politischen Rechten als „Sozialisten“ oder „Kommunisten“ bezeichnete, um den Kapitalismus als Ursache der Krise in den Augen der Öffentlichkeit auszuschließen.

Die soziale und wirtschaftliche Erschöpfung nach acht Jahren des Wechsels zwischen den beiden großen politischen Koalitionen zerstörte jede Hoffnung in die traditionelle Politik. Die progressive Rhetorik wurde allerdings durch ein ultrarechtes, patriarchales und gegen soziale Rechte gerichtetes Narrativ eingedämmt.

Die traditionelle Linke hat es aus verschiedenen Gründen nicht geschafft, diese Massenstimmung zu kanalisieren. Wir sind immer noch eine kleine Kraft, aber wir versuchen, aus einer breiten revolutionären Perspektive heraus einen neuen Bezugspunkt zu schaffen, der es uns ermöglicht, einen Machtanspruch zu formulieren.

Was wäre die Alternative gewesen? Wäre Massa die bessere Wahl für das argentinische Volk gewesen?

Angesichts der Bedrohung durch Milei war Massa der einzige Kandidat, der Milei hätte besiegen können. Aber der Fakt, dass er ein Minister der jetzigen Regierung war, die die zentralen Probleme der heimischen Wirtschaft zum Teil selbst geschaffen hatte oder auf progressive Weise lösen wollte, starke Auswirkungen.

In diesem Sinne stand er nur für die Verteidigung von Mindestrechten, die die neue Regierung unter Milei nun mit dem Argument, sie seien „Privilegien“, auszuhöhlen oder zu zerstören versuchen wird.

Was erwartet ihr für die nächste Amtszeit mit Milei als Staatschef, welche seiner ultrakapitalistischen Versprechen wird er erfüllen können?

Das Versprechen, die Wirtschaft zu dollarisieren, birgt Herausforderungen, wie die Aufgabe der Währungssouveränität, die Senkung der Löhne und Volkseinkommen, die Aufweichung der Arbeitsgesetze, die Vernichtung feministischer Errungenschaften (Recht auf Abtreibung, umfassende Sexualerziehung, Unterstützung zum Schutz von Personen, die von der sexuellen Norm abweichen und gegen Macho-Gewalt), als Ergebnis einer wichtigen staatlichen Haushaltsanpassung. Denn er verspricht, die Auslandsschulden mit einer brutalen Haushaltsanpassung und Kürzungen im öffentlichen Sektor zu bezahlen.

Außerdem sind geopolitische Konflikte durch eine klare geopolitische Positionierung für die Vereinigten Staaten und Israel möglich. Auch seine Positionen gegen die Regierungen Chinas und Brasiliens, die er als „Kommunisten“ bezeichnet, könnten sich auf wirtschaftliche Exportsektoren auswirken, die für den Zugang zu ausländischen Währungen entscheidend sind.

Wie wird sich Mileis Politik auf die Bevölkerung und insbesondere auf die Jugend in Argentinien auswirken?

Eine weitere Verarmung der materiellen Lebensbedingungen, ein ungleicher Zugang zu grundlegenden Gesundheits- und Bildungsleistungen, eine Zunahme der Drogenkriminalität sowie der Verbrechen der politischen Rechten sind zu erwarten.

Die feministische Bewegung ist besonders wachsam, denn nur wenige Tage nach dem Wahlsieg nehmen sie bereits jetzt die historische Errungenschaft des Rechts auf Abtreibung, das 2020 verabschiedet wurde, und das Gesetz zur umfassenden Sexualerziehung ins Visier, obwohl letzterer dazu geführt hat, dass fast 80 % der Kinder und Jugendlichen, die über sexuellen Missbrauch berichteten, dies nach dem Sexualkundeunterricht in der Schule taten.

Besorgniserregend sind auch die Verleugnung historischer Tatsachen wie des Völkermords während der letzten Diktatur, die den Weg für weitere repressive Maßnahmen ebnet, und das Wiedererstarken rechtsextremer Gruppen. All diese Punkte lassen befürchten, dass diese autoritäre Bedrohung vor der wir jetzt stehen faschistische Züge trägt.

In seiner ersten Erklärung nach der Abstimmung habt ihr geschrieben, den Aktivismus und den Kampf zu verstärken. Was sind eure konkreten nächsten Schritte als Organisation?

Angesichts der Offensive der extremen Rechten konzentriert sich der Widerstand darauf, interne und externe Dialoge und Debatten zu initiieren, um Vorschläge zu unterbreiten, die dem Vormarsch der extremen Rechten und ihrem wirtschaftlichen Schockprogramm entgegenwirken und die Rechte verschiedener Sektoren wie der Arbeiterklasse, der Frauen, der Personen die von der sexuellen Norm abweichen, der indigenen Völker und der vom Extraktivismus betroffenen Gemeinschaften schützen.

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