Könnt ihr euch als JugendWohnProjekt kurz vorstellen?
Wir sind ein Jugendwohnprojekt, welches aus einer Hausbesetzung von 1993 hervorgegangen ist. Seitdem sind wir drei Mal umgezogen und seit 2015 befindet sich das JugendWohnProjekt MittenDrin (JWP) nun im alten Neuruppiner Westbahnhof. Am 26.08. begehen wir das 30-jährige Bestehen, zu welchem wir an dieser Stelle auch alle herzlich einladen wollen.
Wir versuchen in einem solidarischen Miteinander zu wohnen und dieses auch in die Nachbar*innenschaft zu tragen. Wir verstehen uns als queerfeministisch und antifaschistisch. Mehr über uns findet ihr unter: https://jwp-mittendrin.de/verein/
Was will der Staatsschutz jetzt plötzlich von euch und eurem Trägerverein?
Der Staatsschutz hat den Vorstand unseres Vereins angerufen, nachdem eine Polizeistreife auf die neuen Fahnen an unserem Haus aufmerksam geworden war. Darunter sind auch Fahnen der YPG/YPJ, deren Legalität in Deutschland immer in Einzelfällen geklärt werden muss.
Der Beamte fragte uns, aus welcher Intention die Fahnen dort hängen würden. Er drohte sofort, sollten wir jetzt keine Aussage tätigen, müssten wir mit einer Anzeige und allen Konsequenzen – wie einer Hausdurchsuchung – rechnen. Seine mehrmals wiederholte Frage nach unserer Intention ging vollkommen an der Rechtslage vorbei, nach der die Legalität der Fahnen davon abhängig ist, ob sie im Kontext mit der PKK (Arbeiter Partei Kurdistans) stehen.
Warum ist es euch dennoch wichtig, die Fahnen hängenzulassen?
Die Fahnen stehen für unsere uneingeschränkte Solidarität mit den Menschen in Kurdistan, die für eine freie Gesellschaft kämpfen. Gegen welche der türkisch-faschistische Staat unter Erdogan, mit Unterstützung westlicher Länder wie Deutschland, einen brutalen Angriffskrieg führt.
Was wird eure weitere Vorgehensweise sein? Rechnet ihr damit, dass der
Staatsschutz die angedrohte Durchsuchung auch durchzieht?
Nach aktueller Rechtslage entbehrt der Vorwurf jeder Grundlage und wäre letztlich nur ein Vorwand um eine Hausdurchsuchung zu rechtfertigen. Damit müssen politische Projekte in Deutschland leider immer rechnen. Trotzdem haben wir bereits Erfahrungen mit staatlicher Repression und wissen uns zu wehren. 2011 sind wir beispielsweise erfolgreich gegen eine verleumderisch Erwähnung durch den Brandenburger „Verfassungsschutz“ vorgegangen – die Behörde musste sämtliche Erwähnungen unseres Vereines aus dem Bericht entfernen. Diesen rechtlichen Kampf hatten wir mit einer massiven Öffentlichkeitskampagne begleitet nach dem Motto: „Der Staat behauptet wir täten dies-und-das – kommt vorbei und überzeugt euch wofür wir wirklich stehen!“.
Was bedeuten solche Drohungen für euch als JugendWohnProjekt, aber auch
generell als Jugendliche, die sich politisch positionieren?
Für uns ist ganz klar, dass das Vorgehen des Staatsschutzes der Einschüchterung dient. Es reiht sich wunderbar in den Repressionsapparat des deutschen Staates ein, der antifaschistische, antikapitalistische wie feministische – kurz linke – Kämpfe kriminalisiert, diffamiert und damit zu unterdrücken versucht. Dadurch wird eine Positionierung wie die unsere von Anfang an erschwert und gesellschaftlich geächtet. Uns ist aber wichtig diese Versuche abzuwehren und gemeinsam die Position zu bestärken, dass jeglicher gesellschaftlicher und sozialer Fortschritt immer erkämpft wurde – oft auch gegen den Widerstand des Staates. Wir machen uns keine Illusion darüber wessen Geistes Kind die meisten Vertreter staatlicher Behörden sind – es gibt hinreichend Belege für „Einzelfälle“ und rechte Strukturen in Polizei, bundesstaatlichen Geheimdiensten und Bundeswehr. Wir haben aber eine andere Vision von Gesellschaft vor Augen: Eine in der Solidarität und Gleichberechtigung über Profit, Führer, Volk und Vaterland steht. In der Niemand auf der Straße leben muss oder in der Lebensmittel tonnenweise weggeworfen werden. Dieser Traum verbindet uns mit Millionen Menschen weltweit und er ist stärker als die Gewalt der herrschenden Ordnung.