Zwei Jahre Krieg in der Ukraine

Zwei Jahre Krieg in der Ukraine

Zwei Jahre – 24 Monate – 104 Wochen – 730 Tage herrscht in der Ukraine seit dem Einmarsch der russischen Truppen in den Morgenstunden des 24. Februar 2022 nun bereits Krieg.

Hunderttausend tote Soldaten auf beiden Seiten und unzählige tote Zivilist:innen zwischen den Fronten, Landstriche deren ehemalige Felder und Dörfer dem Erdboden gleichgemacht wurden, um einer Szenerie zu weichen, die weniger dem Mond als vielmehr den Gräben des Ersten Weltkriegs ähnelt.

Schon zum Ende des ersten Kriegsjahres kristallisierte sich heraus, was sich im vergangenen Jahr als eine verkrustete Salzwüste über die Frontlinien legte. Die Fronten erstarren in einem Zustand, der zwar auf den Karten in den Nachrichten still aussieht und von dem man keine großen Meldungen über Gebietsgewinne oder Eroberungen mehr hört, der aber tödlich bleibt. Tödlich für die eingesetzten Soldaten, die zwei Jahren in den Gräben verbracht haben, tödlich auch für alle die jetzt aus den Hinterländern auf beiden Seiten der Fronten rekrutiert werden, für einen Krieg den sie nicht gewollt haben, der ihnen nichts bringen wird als den Tod. Verheerend ist der Zustand auch für all jene, die sich flüchten konnten von den Fronten, die ausharren, weit entfernt, deren Heimat zerstört und unbewohnbar gemacht wird.

Die Konfliktparteien, seien es die Regierungen Russlands, der Ukraine, der EU oder der NATO, auch Russlands verbündeter in Belarus oder dem Iran, können mit dem zweiten Jahr wenig zufrieden sein. Es ist, wie es kommen musste, im Wettstreit der verschiedenen Staatenblöcke ist kein dauerhafter Sieg des einen über den anderen zu erwarten. Was zu erwarten ist, sehen wir in den Gräben, den Kratern, den Ruinen der Ostukraine.

Was das zweite Jahr aber noch deutlicher gezeigt hat, ist, dass dieser Krieg kein einfacher, vereinzelter Konflikt ist. Während in der Ukraine die Fronten einfrieren, brechen sie an anderen Stellen (wieder) auf. Seien es die Putsche in Westafrika, der Krieg im Sudan, das Wettrüsten zwischen China und den USA im Pazifik, der von weiten Teilen des Westens schon vergessene Genozid in Bergkarabach, durch den engen verbündeten Aserbaidschan, die Spannungen auf dem südamerikanischen Kontinent, die Auseinandersetzungen um Rohstoffe, wie der Tiefseeabbau, und nicht zuletzt und wohl am prominentesten der Krieg im Nahen Osten, der Angriff der Hamas auf Israel und der Einmarsch und die drohende Besatzung Israels in Gaza, die Seeblockade der Huthis, die Explosive Lage vom Libanon bis nach Kurdistan und vom Golf von Aden bis nach Teheran.

Die Liste der Konflikte die allein im vergangenen Jahr ausgebrochen sind, sich verschärft oder verändert haben, könnte ewig weitergeführt werden und gefühlt wird sie täglich länger. Und doch tragen sie alle die Handschrift des weltweiten Ringens um Einfluss, wirtschaftlicher Macht, Handelsrouten und militärischer Präsenz. Die Verkleidung der eigenen Position mit Werten der einen oder anderen Couleur wirkt da doch fast wie eine billige Lackierung über den Tarnflecken, die ihre Politik bestimmen.

Seit zwei Jahren kommt weltweit vieles ins Rutschen, das sicher schien, die vor wenigen Jahren noch so besungenen „internationalen Institutionen“ sind verkommen zu einem weiteren Spielball der eigenen Position; anerkannt, wenn sie im eigenen Sinne entscheiden, unbeachtet und vergessen, wenn sie die eigene Seite verurteilen oder kritisieren.

Allianzen werden wichtiger und gleichzeitig durch ihren Stresstest der globalen Konflikte brüchiger denn je. Wo heute noch die NATO fest zusammenstand, ist morgen schon die Unterstützung der Ukraine aus den USA brüchig, dort wo vor kurzem noch Russland Schutzmacht Armeniens war, lässt es dieses nun links liegen und miteinander geschlossene Abkommen werden gekündigt.

Doch spiegeln sich diese Zerrüttungen schon von Anfang an nicht nur auf der internationalen Ebene und der oft fremd wirkenden Sphäre zwischen Regierungen und Staat wieder. Von Beginn an waren die Auswirkungen des Krieges auch innenpolitisch zu spüren. Die drei Tage nach dem Krieg ausgerufene “Zeitenwende” versucht seitdem die Gesellschaft in Deutschland erneut auf einen großen Konflikt vorzubereiten, sie “kriegstüchtig” zu machen, wie es mittlerweile direkt aus dem Kriegsministerium heißt. Das bedeutet konkret mehr Geld für Waffen und in der Konsequenz weniger Geld für Bildung, Sozialleistungen und ähnliches. Dass Lindner dies vor wenigen Tagen so auch offen forderte, dürfte seine Koalitionspartner nur deshalb so stören, weil es gegen ihr eigenes vermeintlich soziales Image geht, auch wenn sie diese Politik seit zwei Jahren konkret nicht nur mittragen, sondern selbst auch ausgestalten.

Dazu gehört neben der militärischen Mobilmachung, nach wie vor auch eine Mobilmachung der Gefühle der Gesellschaft und der Versuch zu erreichen, dass sich die Gesellschaft mit dem Krieg identifiziert und hinter alles stellt, was die Regierung als “notwendig” ausgerufen hat, um ihn auszutragen. Ob es sich dabei um Waffenlieferungen und Militarisierung handelt oder den Ausbau von fossilen LNG-Terminals oder dem Verlust von “Wohlstand”.

Vom dritten Jahr des Krieges in der Ukraine darf keine Wende im Kampf der Staaten erwartet werden, im Gegenteil, wird ihr Kampf weiter die weltweite Spirale der Eskalation fahren. Das militaristische Mühlrad, das Ressourcen, Umwelt, Geld und zu allererst Menschen zermahlt, wird sich weiterdrehen und möglicherweise weiter beschleunigen. Auch die Staaten sagen dies ganz offen, wenn Scholz beispielsweise in seiner Ansprache zum zweiten Jahrestag des Krieges, von einer militärischen Abschreckungsstrategie für die nächsten Jahrzehnte und über die dauerhafte Erhöhung der Militärausgaben redet. Genau das ist gemeint, wenn die SPD-Europakandidatin Barley, die Diskussion über die Atombombe besprechen will während die NATO ihr größtes Manöver seit Jahrzehnten in Europa abhält.

Für das dritte Jahr können wir nur hoffen und selbst dafür sorgen, dass sich eines am Ende verändert hat. Wir können dafür sorgen, dass unsere Gesellschaft und die Gesellschaften überall auf der Welt sich nicht mehr für die Maschinerie des Krieges einspannen lassen, weder auf physischer noch auf psychischer Ebene. Verweigern wir uns den Debatten um Wehrpflicht und Atomwaffen, führen wir Debatten über die Verantwortung in unserer Gesellschaft füreinander, über den Einfluss ständiger Kriegspropaganda auf unsere Sicht der Welt, wie wir Geflüchteten vor den Kriegen dieser Welt hier helfen können. Es ist viel zu tun auf dieser Ebene. Sowohl auf dieser, als auch auf der anderen Seite der Front, müssen dies für uns als Teile der Gesellschaft die primären Aufgaben sein.

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